Islamistische Organisationen
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Der 2014 gegründete „Islamische Staat“ (IS) ist derzeit die wohl aktivste terroristische Gruppierung im Bereich des Jihadismus. Nach dem arabischen Akronym für „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ wird der IS auch DAESH genannt.
Im Wesentlichen entstanden aus irakischen Vorläuferorganisationen mit wechselnder Bezeichnung (unter anderem „al-Qaida im Irak“), übernahm der IS von 2013 an mehr und mehr eine zentrale Rolle im syrischen Bürgerkrieg. Dort konnte er schnell Gebiete für sich gewinnen. 2014 setzte er seine Eroberungen im Nordirak fort. Am 29. Juni 2014 rief der IS das „Kalifat“ aus und ernannte den Anführer der Terrororganisation Abu Bakr al-Baghdadi zum „Kalifen“. Im weiteren Verlauf der Ereignisse konnte der IS die Lage in Syrien und im Irak für sich nutzen, um zu expandieren und seine Herrschaft zu festigen.
Seit 2015 wurde das „Kalifat“ jedoch zurückgedrängt und gilt seit Ende 2017 als militärisch besiegt. Schließlich fiel im März 2019 mit der syrischen Stadt al-Baghuz die letzte IS-Enklave und im Oktober desselben Jahres wurde der „Kalif“ Abu Bakr al-Baghdadi getötet. Als dessen Nachfolger wurde Abu Ibrahim al-Hashimi al-Qurashi/al-Qurayshi bekannt gegeben.
Der IS stellt weiterhin eine Gefahr dar
Trotz der militärischen Niederlage geht vom IS unverändert eine Gefahr aus. Von Anfang an waren die Aktivitäten des IS nicht nur regional, sondern transnational ausgerichtet. So galt es zum einen, Kämpfer aus dem Ausland zur Ausreise in das syrisch-irakische Grenzgebiet zu motivieren und für die Kämpfe vor Ort zu rekrutieren.
Zum anderen war und ist es das Ziel des „Kalifats“, eigene Anschläge im Ausland zu verüben, eigenständig handelnde Einzeltäter und Kleinstgruppen zum „individuellen Jihad“ zu motivieren und „Provinzen“ in anderen Ländern zu errichten, um den Einfluss des IS weiter auszubauen. Dementsprechend global und professionell ist die IS-Propaganda aufgestellt.
Die jihadistische Terrororganisation „al-Qaida“ (AQ, arabisch für „die Basis“) wurde maßgeblich von Usama Bin Ladin gegründet und ging ursprünglich Mitte der 1980er-Jahre aus Netzwerken arabischer Jihadisten hervor, die am Anfang des Jahrzehnts in Afghanistan gekämpft hatten. Sie wollten nach Kriegsende den Jihad weiterführen – zuerst noch schwerpunktmäßig in islamisch geprägten Staaten.
Im Jahr 1998 verkündete Bin Ladin zusammen mit Aiman al-Zawahiri und anderen Jihadisten die Gründung einer „Internationalen islamischen Front für den Jihad gegen Juden und Kreuzritter“, deren Ziel die Bekämpfung der USA, Israels und deren Unterstützer durch medienwirksame Anschläge war. Es begann eine Reihe von Angriffen auf US-amerikanische Ziele, die letztlich in den Anschlägen des 11. Septembers 2001 gipfelte.
Im Nachgang des 11. Septembers entstanden zwar immer wieder AQ-Regionalableger wie „al-Qaida im islamischen Maghreb“ (2007) oder „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ (2009). Dennoch zerschlugen die USA die wichtigsten Rückzugsräume von Kern-AQ und die Führungspersonen mussten in den Untergrund fliehen. Seit der Tötung Bin Ladins im Mai 2011 steht al-Zawahiri der Kernorganisation vor.
AQ will vor allem die USA aus der islamischen Welt vertreiben
AQ ist transnational ausgerichtet und verfolgt die Strategie des globalen Jihad. Zuerst soll der vermeintlich „ferne Feinde“ des Islam, vor allem die USA, aus der islamischen Welt vertrieben werden. Danach sollen in der islamischen Welt die verbliebenen „nahen Feinden“ als unislamisch bewertete Regierungen des Nahen und Mittleren Ostens bekämpft werden. Als Fernziel will AQ einen eigenen Staat errichten.
Anschläge im Namen von AQ können sowohl die Kernorganisation oder ein regionaler Ableger planen und ausführen als auch Einzeltäter, die die Ideologie teilen, aber nur eine schwache oder keine organisatorische Bindung zu AQ aufweisen.
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Die im Dezember 1987 im Gaza-Streifen gegründete HAMAS (Abkürzung für „Harakat al-Muqawama al-Islamiya“ – „Islamische Widerstandsbewegung“) ist eine palästinensische, sunnitisch-islamistische Organisation. Sie ging aus der Muslimbruderschaft hervor und teilt deren Islamverständnis bis heute. Neben politischen und sozialen Aktivitäten verfügt die HAMAS auch über einen bewaffneten Arm, die „Izz ad-Din al-Qassam-Brigaden“.
Seit dem Jahr 2007 kontrolliert die Regierung der HAMAS den Gazastreifen und agiert in Teilbereichen wie ein staatlicher Akteur.
Die Organisation strebt die Errichtung eines islamischen Staates auf dem gesamten Gebiet Palästinas, d.h. unter Einschluss des Territoriums des Staates Israel, an. Hierbei setzt sie gegen Israel auch militärische und terroristische Mittel ein. Aufgrund dessen befindet sich die HAMAS auf der sogenannten EU-Terroristenliste.
Die HAMAS hat in einer Vielzahl von Staaten, darunter in Deutschland, Aktivitäten und Organisationsstrukturen entwickelt. Unter den HAMAS-Vereinigungen im Bundesgebiet ist an erster Stelle die Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (PGD) mit Sitz in Berlin zu nennen. Die Verbindungen zur HAMAS sind bei den Vereinigungen aus taktischen Gründen nach außen nicht erkennbar.
Grundsätzlich verfolgt die HAMAS hierzulande folgendene Ziele:
- Unterstützung der Mutterorganisation in den palästinensischen Gebieten mit Spendensammlungen;
- Festigung des Einflusses auf die palästinensische Diaspora, bewusst auch gegenüber konkurrierenden palästinensischen Gruppierungen;
- Pro-palästinensische Lobbyarbeit in der europäischen Öffentlichkeit.
Auch in Rheinland-Pfalz leben HAMAS-Mitglieder, die sich für die Organisation in unterschiedlichem Maße engagieren, beispielsweise durch die aktive Mitwirkung oder die Teilnahme an Kongressen in Deutschland und Europa, die Beteiligung an antiisraelischen Kundgebungen oder die Einstellung von HAMAS-Propaganda im Internet.
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Die „Hizb Allah“, die sich 1982 gründete, ist eine schiitisch-islamistische Organisation. Sie verfügt in ihrem Heimatland Libanon über einen bewaffneten Arm, der für militärische Auseinandersetzungen mit Israel sowie für die Durchführung von Anschlägen, insbesondere gegen israelische und jüdische Ziele, verantwortlich ist.
Seit 2013 kämpfen „Hizb Allah“-Einheiten darüber hinaus in Syrien auf der Seite der Regierungstruppen von Präsident Bashar al-Assad gegen die oppositionellen Verbände. Der militärische Arm der „Hizb Allah“ wird auf der sogenannten EU-Terroristenliste geführt.
Die „Hizb Allah“-Anhängerschaft in Deutschland tritt nach außen nur wenig in Erscheinung. Verschiedene Ortsvereine dienen ihr als Anlaufstellen, wobei eine Zugehörigkeit zur „Hizb Allah“ äußerlich in der Regel nicht erkennbar ist. Deutschland stellt für die „Hizb Allah“ einen Raum für logistische und finanzielle Unterstützungsleistungen dar.
Betätigungsverbot in Deutschland
Aufgrund der besonderen Bedeutung und Verantwortung, die Deutschland für die Sicherheit Israels trage, hat der Bundestag im Dezember 2019 die Bundesregierung aufgefordert, ein Betätigungsverbot für die „Hizb Allah“ bzw. den politischen Arm der Organisation zu erlassen. Ziel sei es, jegliche Aktivitäten der Organisation zu verbieten und damit eine potenzielle Terrorfinanzierung aus Deutschland heraus zu unterbinden. In einem gemeinsamen Antrag forderten die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP zudem, die Unterscheidung in einen politischen und militärischen Arm der „Hizb Allah“ aufzugeben und auf europäischer Ebene zu einer gemeinsamen Bewertung zu kommen.
Am 30. April 2020 wurde dann ein Betätigungsverbot für die „Hizb Allah“ in Deutschland durch den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat bekannt gegeben. In der Verbotsverfügung vom 26. März 2020 wurde festgestellt, dass die Tätigkeit der Organisation den Strafgesetzen zuwiderläuft und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet.“
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Der „Kalifatsstaat“, 1984 gegründet, war eine türkisch-islamistische Organisation, die 2001 durch das Bundesministerium des Innern verboten wurde. In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass sich der „Kalifatsstaat“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die Innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.
Das Vereinsverbot bewegte einen großen Teil der „Kalifatsstaat“-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Unterschwellig unterhalten Anhänger der „Kalifatsstaat“-Ideologie jedoch weiterhin Strukturen, allerdings nicht im Sinne einer einheitlichen Organisation.
Kalif-Titel ist umstritten
Zudem sind Fraktionierungen innerhalb der „Kalifatsstaat“-Gemeinde festzustellen, die vor allem die Frage spaltet, ob Metin Kaplan weiterhin als Kalif anzusehen ist.
Intern wird die charakteristische „Kalifatsstaat“-Lehre sowohl in Predigten als auch mittels elektronischer Medien weiterhin propagiert. Zu ihren zentralen Punkten gehören die Etablierung eines islamischen Staates unter der Führung eines Kalifen sowie die Anwendung des islamischen Rechts (Scharia). Anhänger des „Kalifatsstaats“ weisen die Demokratie zurück und lehnen den Westen und Juden ab.
Die Außenwirkung der Propaganda ist begrenzt, da es sich beim „Kalifatsstaat“ um eine Splittergruppe handelt, die unter der muslimischen Bevölkerung nur einen geringen Bekanntheitsgrad besitzt und wenig Akzeptanz findet. Das Vereinsverbot verhindert zudem eine Mitwirkung in Gremien und die Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Gleichwohl ist die „Kalifatsstaat“-Propaganda imstande, individuelle Radikalisierungsprozesse auszulösen, zu fördern oder eigene Anhänger und weitere Personen für ideologisch verwandte Strömungen wie den Salafismus empfänglich zu machen.
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Die von Hasan al-Banna 1928 gegründete „Muslimbruderschaft“ markiert den Beginn des Islamismus in seiner organisierten Form. Von ihrem Ursprungsland Ägypten breitete sich die hierarchisch aufgebaute Kaderorganisation in den folgenden Jahrzehnten zunächst in arabische Länder, später auch in andere Regionen aus.
Nach eigenen Angaben ist sie heutzutage in mehr als 70 Ländern weltweit vertreten, darunter in Deutschland. Aus ihr gingen neue Organisationen hervor, u.a. die HAMAS in den palästinensischen Gebieten.
Programmatischer Kernpunkt der „Muslimbruderschaft“ ist die Einheit von Religion und Staat, die nach ihrem Verständnis durch die Anwendung der islamischen Rechtsvorschriften (Scharia) verwirklicht werden soll. In Schriften der „Muslimbruderschaft“ wird weltlichen Gesetzen zugunsten der angestrebten islamischen Ordnung zumeist ebenso eine Absage erteilt wie Reformen auf dem Gebiet des islamischen Rechts. Der Gestaltungsfreiraum menschlichen Handelns wird damit erheblich eingeschränkt.
Muslimbrüder unterhalten organisatorisches Netz in Europa
Angehörige der „Muslimbruderschaft“ schufen in den zurückliegenden Jahrzehnten in Europa ein Netz von Moscheen, Instituten und Verbänden. Sie verbreiten bis heute ihre Ideologie und verfolgen ihre gesellschaftlichen sowie politischen Interessen. In Deutschland wird die „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V.“ (DMG), ehemals „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (IGD), aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der „Muslimbruderschaft“ zugerechnet.
Neben ihrem Hauptsitz in Berlin unterhält sie nach eigenen Angaben „Islamische Zentren“ in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a. M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig.
In Rheinland-Pfalz gibt es Personen, die der Ideologie der „Muslimbruderschaft“ folgen und in ihr deutsches organisatorisches Umfeld eingebunden sind. Ebenso liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass einzelne Moscheevereine Bezüge zur „Muslimbruderschaft“ aufweisen, durch sie beeinflusst und bestrebt sind, deren Weltbild im Rahmen ihrer Bildungsarbeit zu verbreiten.