Islamismus im Internet

Screenshot eines Youtube-Videos von „Muslim Interaktiv“

Der Islamismus in seinen vielfältigen Erscheinungsformen ist ohne das Internet heute nicht mehr denkbar. Islamisten nutzen es als Kommunikations-, Propaganda- und Rekrutierungsmedium. Außerdem gebrauchen sie das World Wide Web, um ihre Anhänger zu steuern und um sich zu vernetzen. Verglichen mit Extremisten aus anderen Phänomenbereichen stehen sie international am intensivsten miteinander in Verbindung.

Websites sowie Accounts in sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten, deren Zahl zunimmt, verbreiten die islamistische Ideologie auf der ganzen Welt und tragen maßgeblich zur Radikalisierung vor allem junger Menschen bei, die die Hauptzielgruppe von Islamisten darstellen. Sympathisanten können sich an nahezu jedem Ort der Welt mit Propagandamaterial aus dem Internet versorgen. Und durch die weltweite Vernetzung begreifen sich islamistische Aktivisten und Sympathisanten als Teil einer großen Bewegung, obwohl sich ihre Ziele und Handlungsmotive teilweise stark voneinander unterscheiden.

Selbst was die unverfängliche und unpolitische Kommunikation innerhalb der islamistischen Szene untereinander betrifft, so können Islamisten den Kontakt zu den aus ihrer Sicht „Ungläubigen“ durch entsprechende Angebote auf ein Minimum beschränken. Lebensmittelgeschäfte, Modeläden, Catering, Umzugsunternehmen, Heiratsvermittlungen und vieles mehr – im Netz gibt es das von Islamisten für Islamisten.

Insbesondere salafistische Gruppierungen sprechen junge Menschen im Internet dort an, wo sich diese am häufigsten aufhalten: in sozialen Netzwerken und in Messenger-Diensten. Um sie zu rekrutieren, passen sie sich an deren Lebenswelt an und verwenden Begriffe und Symbole, die die Jugendlichen aus der Alltagskommunikation im Internet kennen, zum Beispiel „Emojis“, kleine Piktogramme, die in Chats und Postings Emotionen ausdrücken.

Das Spektrum der genutzten Apps wird immer vielfältiger

Für jihadistische Organisationen und ihre Propaganda hat sich der Messenger-Dienst „Telegram“ in den zurückliegenden Jahren zu einem der wichtigsten Verbreitungswege entwickelt, noch bevor Rechtsextremisten ihn für sich entdeckten. Extremistische und gewaltbefürwortende Inhalte können dort mithilfe verschlüsselter Einzelkommunikation, in öffentlichen oder geschlossenen Gruppenchats und in „Telegram“-Kanälen weitgehend anonym verbreitet werden. So werden in IS-nahen Kanälen außer verfassungsfeindlichen Ideologieelementen auch Aufrufe zu Einzeltäter-Anschlägen und zum Teil Baupläne zur Herstellung von Sprengstoffen geteilt. Gewaltverherrlichende Propaganda findet sich demgegenüber auf den nutzerstärksten Plattformen wie Facebook oder Instagram nur eingeschränkt.

Als Folge der Löschung von Accounts durch Betreiber diverser Social-Media-Plattformen wird das Spektrum der von Jihadisten genutzten Apps und Kommunikationsdienste immer vielfältiger. Die steigende Zahl der verwendeten Apps stellt Sicherheitsbehörden vor die Herausforderung, islamistische Inhalte im Internet zu identifizieren, zu beobachten und gegebenenfalls dagegen vorzugehen. In gezielt für digitale Verbreitungswege konzipierten jihadistischen Online-Magazinen wird der bewaffnete Jihad verherrlicht. So wollen die Autoren Anhänger dazu inspirieren, Terroranschläge zu verüben. Solche Magazine werden beispielsweise in Form von pdf-Dateien über einen Messenger-Dienst verbreitet.

Die Corona-Pandemie verstärkte die Verlagerung salafistischer Aktivitäten in den virtuellen Raum seit März 2020 noch. Anstatt öffentlicher Auftritte nutzten viele bekannte salafistische Prediger und Organisationen in Deutschland das Internet, um ihre Botschaften zu verbreiten. Die Akteure bedienten sich dafür zum Teil neuerer Konzepte wie Online-Lernkurse auf „Zoom“ und „Youtube“ sowie virtueller Lesezirkel.

Islamisten bedienen sich im Netz einer professionellen Grafik

Legalistische Islamisten, wie diejenigen unter ihnen genannt werden, die ihre Ziele auf legalem Weg zu erreichen versuchen und die nach außen zumeist eine gemäßigte Agenda vertreten, haben erkannt, dass die Übernahme der medien- und jugendaffinen Öffentlichkeitsarbeit salafistischer Prediger und Gruppierungen ein unerlässlicher Baustein zur Erschließung eines großen Personenkreises ist. Legalistische Organisationen wie die „Muslimbruderschaft“ und ihre deutschen Ableger entfernen sich damit jedoch nicht von ihrem klassischen Betätigungsfeld, der Moschee, was insbesondere die Älteren enttäuschen würde.

Zur Rekrutierung und Verbreitung von Propaganda setzen sie vielmehr auf zusätzliche Aktionen in der virtuellen Welt: Junge Muslime treten in Videos in den sozialen Medien auf und organisieren Debatten mit hoher Reichweite, indem sie Hashtags verwenden und alles grafisch professionell produzieren. Im Vergleich zu den gewaltbereiten Islamisten sind legalistische noch stärker in den größeren Netzwerken Facebook, Instagram und Twitter aktiv.