Delegitimierung des Staates

Verschwörungsdenken ist ein Wesenskern der „Delegitimierer“-Szene.

Gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bildete sich eine heterogene Protestbewegung. Ein Teil dieses Spektrums agierte und agitierte in verfassungsfeindlicher Weise und überschritt damit den grundgesetzlich geschützten Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Seit April 2021 beobachtet der Verfassungsschutz diesen neuen extremistischen Phänomenbereich unter der Bezeichnung „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“.

Mit der Aufhebung der „Corona-Maßnahmen“ sah sich die Szene indes gezwungen, andere Themen aufzugreifen, um wieder mehr Menschen zu erreichen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, steigende Energie- und Lebenshaltungskosten waren seitdem die bestimmenden Themen und oftmals in Mobilisierungsaufrufen festzustellen. 

„Delegitimierer“ stehen für neue Form des Extremismus

„Delegitimierer“ repräsentieren eine neue Form des Extremismus. So lassen sich die Akteure dieser Szene ideologisch keinem der bestehenden Phänomenbereiche wie dem Rechtsextremismus oder der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zuordnen. Allerdings stellen die Verbreitung von Verschwörungstheorien, ein kategorisches Freund-Feind-Denken sowie die Ablehnung demokratisch getroffener Entscheidungen zumindest verbindende ideologische Elemente zu diesen anderen Formen des Extremismus dar. Es gibt eine weltanschauliche Schnittmenge zwischen „Delegitimierern“, Rechtsextremisten und „Reichsbürgern“. Zumal sie alle das Ziel verbindet, zentrale Prinzipien des Grundgesetzes außer Kraft setzen und die Funktionsfähigkeit des Staates sowie seiner Einrichtungen erheblich zu beeinträchtigen. 

„Delegitimierer“ agitieren und agieren in diesem Sinne gegen demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates, machen diese systematisch verächtlich und berufen sich dabei auf ein ihnen vermeintlich zustehendes Widerstandsrecht. Oftmals wird dabei die bestehende repräsentative Demokratie mit einer Diktatur gleichgesetzt und Regierungshandeln als faschistisch bezeichnet. Auf diese Weise soll die Bevölkerung verunsichert und ihr Vertrauen in das politische System und die freiheitliche Demokratie erschüttert werden. Die sogenannten Delegitimierer nutzen Demonstrationen, Kundgebungen und soziale Medien, um Einfluss zu gewinnen und um ihre demokratiefeindliche Propaganda zu verbreiten. Hierbei hat sich vor allem der Messenger-Dienst Telegram als zentrales Medium der Szene etabliert. Bundesweit kam es zu Einschüchterung von politischen Entscheidungsträgern mittels Drohbriefen oder Demonstrationen vor Privathäusern von Politikerinnen und Politikern. Eine extreme Ausprägung waren konkrete Mordpläne gegen ausgewählte Repräsentanten des Staates.

Das Personenpotenzial im Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ beläuft sich für 2022 in Rheinland-Pfalz auf rund 40 Personen. Bislang hat sich im Land noch keine extremistische Gruppierung beziehungsweise Organisation etabliert, die dauerhaft und nachhaltig öffentlichkeitswirksam in Erscheinung tritt. Vielmehr sind es Einzelpersonen und eher lose Netzwerke von Personen bis hin zu klandestinen Gruppierungen.