Parteiunabhängige Strukturen
In Rheinland-Pfalz zählen vor allem neonazistische Gruppierungen und die „Neue Rechte“ zu den parteiunabhängigen Strukturen. Dies zeigt bereits, dass die Szene weder in struktureller noch in weltanschaulicher Hinsicht homogen ist.
Parteiunabhängigen rechtsextremistischen Strukturen rechnet der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 260 Personen im Bundesland zu.
In Deutschland entstand die „Neue Rechte“ in den frühen 1970er Jahren in Anlehnung an die französische „Nouvelle Droite“ als Gegenpol zur linken „68er Bewegung“ und mit dem Anspruch einer ausgeprägten Intellektualität, die sie bis heute vom „klassischen“ rechtsextremistischen Spektrum unterscheidet.
Ein wesentlicher Bestandteil der Ideologie der „Neuen Rechten“ ist der Ethnopluralismus. Er gründet in beschönigender Weise auf der Vorstellung, dass jede Ethnie einmalig und wertvoll sei, weshalb sie jedoch getrennt voneinander leben und in ihren vermeintlich angestammten Kulturräumen (Ländern) bleiben müssten. Damit leisten Vertreter der „Neuen Rechten“ zumindest unterschwellig einem für den Rechtsextremismus typischen Rasse-Denken Vorschub.
Im Kern zielen Vertreter der „Neuen Rechten“ (zunächst) darauf ab, die kulturelle Vorherrschaft zu erringen. Sie wollen die Deutungs- und die Meinungshoheit in der Gesellschaft gewinnen, um politische Macht zu erringen. Das soll nicht durch Machtpositionen in Parteien und der Regierung geschehen, sondern durch eine schleichende gesellschaftliche Akzeptanz und dauerhafte Verankerung einschlägiger weltanschaulicher Standpunkte.
Das Fernziel der „Neuen Rechten“ ist eine grundlegende Umwandlung des Staates. Im Mittelpunkt ihres Staatsverständnisses steht das Modell des nach innen wie außen starken Staates, dessen Legitimation auf nicht näher bestimmten Volksbeschlüssen beruhen soll.
Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) hat sich 2012 zunächst als rein virtuelle Gruppe in Facebook gegründet. Zwei Jahre später ließ sie sich als Verein eintragen und baute so auch Strukturen außerhalb des Internets auf. In der Folgezeit machte sie immer wieder durch öffentliche Aktionen auf sich aufmerksam. Nach eigener Aussage versteht sich die IBD als deutscher Ableger der im Jahr 2021 durch die französische Regierung verbotenen französischen Bewegung „Génération Identitaire“ (GI), die durch islam- und fremdenfeindliche sowie teils rassistische und nationalistische Positionen in Erscheinung trat.
Ihr Ideal einer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung ist das Nebeneinander von ethnisch-kulturell einheitlichen Staaten, die alle fremden Einflüsse von sich fernhalten. Multikulturelle Gesellschaften lehnt die IBD strikt ab. Im Zentrum ihrer Agitation und ihres Aktionismus' steht demnach die Kritik am vermeintlichen Verlust der kulturellen Identität der Deutschen in einer „seelenlosen Konsumgesellschaft“, der durch eine zunehmende „Masseneinwanderung“, „Islamisierung“ und „Überfremdung“ bedingt sei.
Aufgrund ihres zunehmenden Bedeutungsverlusts in den letzten Jahren richtete sich die IBD neu aus. So tritt in Rheinland-Pfalz seit Ende 2021 die Gruppierung „Revolte Rheinland“ in Erscheinung – als Nachfolgeorganisation der rheinland-pfälzischen IBD-Regionalgruppe, die sich ebenfalls zu einem „identitären Weltbild“ bekennt. Sie beschreibt sich selbst als „patriotisch, aktivistisch sowie sozial“ und ist überwiegend im nördlichen Rheinland-Pfalz und im südlichen Nordrhein-Westfalen aktiv.
Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz geht von einer Mitgliederzahl der „Revolte Rheinland“ im unteren zweistelligen Bereich aus.
Neonationalsozialisten (Neonazis) identifizieren sich mit der Ideologie des historischen Nationalsozialismus', was sich in deren Agitation und einer am Nationalsozialismus orientierten Symbolik ausdrückt. Sie streben eine totalitäre Staatsform nach dem Vorbild der NS-Diktatur an, deren Basis die ethnisch homogene „Volksgemeinschaft” ist.
Damit einher geht, dass Neonazis die Verbrechen im „Dritten Reich” verharmlosen oder gar leugnen. In Rheinland-Pfalz werden der Szene konstant circa 200 Personen zugerechnet. Ein Teil dieser Personen ist in den neonazistischen Parteien „Der III. Weg” und „Die Rechte” organisiert und fließt dort dementsprechend in die Mitgliederzahlen ein.
Neonazis schließen sich in Kameradschaften zusammen
Manche Neonazis organisieren sich weiterhin in sogenannten Kameradschaften, die vergleichsweise locker strukturiert sind. Sich selbst bezeichnen sie dabei unter anderem als „Freie Nationalisten”, „Freie Kräfte” oder auch „Nationale Sozialisten”. Die Größe solcher Gruppierungen liegt in der Regel zwischen 5 und 20 Personen. Ihr Aktionsradius ist meist regional begrenzt. Punktuell arbeiten sie auch mit anderen Rechtsextremisten zusammen. So können bei größeren Aktionen, zum Beispiel Demonstrationen oder Mahnwachen, aufgrund der guten Vernetzung untereinander mehr Personen mobilisiert werden.
Ein Großteil des Neonazi-Spektrums hat in den vergangenen Jahren strukturell allerdings immer mehr Konturen verloren. In den eher informellen Gruppen stehen das Gemeinschaftserlebnis sowie gemeinsame Aktionen im Vordergrund und weniger eine koordinierte politische Betätigung, was jedoch keinen Einfluss auf die weltanschauliche Prägung dieser Kreise hat.