„Oft sind es Worte, die fassungslos machen. Die bundesweiten Maßnahmen bei 75 angetroffenen Tatverdächtigen zeigen jedoch, dass unser Staat wehrhaft ist, genau hinschaut und widerliche Verunglimpfungen nicht duldet. Hass und Hetze begegnen wir in der realen Welt und der virtuellen mit deutlicher Reaktion und die heutigen Durchsuchungen werden nicht die letzten gewesen sein. Wer hetzt und schamlos gegen andere holzt, muss mit einem Besuch von der Polizei rechnen“, sagte Innenminister Roger Lewentz. Anfang Februar hatte er nach unsäglichen Kommentaren im Zusammenhang mit der Tötung zweier Polizeibeamter bei Kusel beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz die Ermittlungsgruppe Hate Speech eingerichtet. Die Ermittlungsgruppe bearbeitet Fälle unter der Sachleitung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz, geht Hinweisen nach und sucht proaktiv nach solchen. Insgesamt wird 150 Personen auf Basis der Ermittlungen der EG Hate Speech vorgeworfen, für 172 strafrechtlich relevante Kommentare und 18 Likes verantwortlich zu sein. In Rheinland-Pfalz fanden laut Lewentz Durchsuchungen bei elf identifizierten Tatverdächtigen statt. Deren Wohnorte seien verteilt über alle fünf Polizeipräsidien.
„Wir sind seit Februar, um Mehrfachmeldungen bereits bereinigt, bislang rund 1700 Meldungen und Beiträgen nachgegangen. Mit den heute um 6 Uhr begonnenen Maßnahmen haben wir nun erstmals gemeinsam mit allen Bundesländern das Ziel verfolgt, bei den Tatverdächtigen weitere für die Strafverfolgung dienliche Beweise zu sichern. Bei den Durchsuchungen wurden hauptsächlich Datenträger wie Smartphones, Laptops oder Festplatten sichergestellt. Gleichzeitig erhöhen wir den Verfolgungsdruck auf diejenigen, die glauben, sie könnten im vermeintlichen Schutz des Internets völlig schamlos und ehrverletzend über andere Menschen oder unsere Demokratie herziehen, ohne dafür einstehen und die strafrechtlichen Konsequenzen tragen zu müssen. Wir werden alles daran setzen, auch die anderen Verfasser zu identifizieren, damit auch sie für ihre Äußerungen belangt werden können“, so LKA-Vizepräsident Achim Füssel. Die Maßnahmen wurden von den Bundesländern mit eigenen Kräften umgesetzt. Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz war federführend für die Gesamtkoordination des Einsatzes verantwortlich und wurde dabei auch vom Bundeskriminalamt unterstützt, das außerdem bei der Identifizierung der Tatverdächtigen half. Etwa 90 Prozent der Tatverdächtigen sind männlich, die meisten zwischen 21 und 40 Jahren alt.
„Diese erstmalige Zusammenarbeit eines Landeskriminalamtes mit der „Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ (ZMI) des Bundeskriminalamtes in einer Ad-hoc Lage war ein voller Erfolg. Unser Ziel, die Verfasser der Hasspostings effektiv zu ermitteln und einer Strafverfolgung zuzuführen, haben wir bereits in über der Hälfte der Fälle erreicht. Unser gemeinsames Vorgehen hat deutlich gemacht: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Hass und Hetze haben keinen Platz im Internet und werden von uns konsequent verfolgt“, betonte BKA-Vizepräsident Jürgen Peter.
Von den rund 1700 Hinweisen hat die sachleitende Generalstaatsanwaltschaft Koblenz insgesamt 536 Kommentare und 309 Likes als strafrechtlich relevant bewertet und entsprechende Ermittlungen eingeleitet. Den mutmaßlichen Verfassern wird hauptsächlich Billigung von Straftaten nach § 140 StGB und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB vorgeworfen. „Mit den heutigen Maßnahmen haben die Strafverfolgungsbehörden im gesamten Bundesgebiet ein deutliches und nachdrückliches Zeichen gegen Hass und Hetze im Internet gesetzt. Die Verfasser von Hassbotschaften im Internet müssen jederzeit mit ihrer Entdeckung und einer schnellen und nachdrücklichen Strafverfolgung rechnen. Der Ermittlungserfolg hat auch gezeigt, dass es richtig war, die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz - Landeszentralstelle zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus Rheinland-Pfalz - mit der zentralen Bearbeitung entsprechender Delikte für das Land zu beauftragen und bundesweit ein Netz von Ansprechpartnern und Zentralstellen zu errichten. Die Zentralisierung hat eine unverzügliche und einheitliche strafrechtliche Bewertung der Posts sowie ein eng abgestimmtes Vorgehen aller Akteure ermöglicht“, so der Koblenzer Generalstaatsanwalt Dr. Jürgen Brauer.
Für Betroffene von Hass und Hetze bietet die Polizei Rheinland-Pfalz auf der Homepage www.contrahass.rlp.de gebündelte Informationen zu Ausprägungen des Phänomens, zivilgesellschaftlichen Beratungs- und Anlaufstellen sowie einen direkten Zugang zur Onlinewache, um die Anzeigenerstattung im Ernstfall so niederschwellig wie möglich zu gestalten. In der Onlinewache können Betroffene seit dem 11. Mai über die Kachel „Hass im Netz“ Hasskommentierungen anzeigen. Dabei kann auch der für eine effektive Strafverfolgung notwendige beweissichere Screenshot über eine Upload-Funktion hochgeladen werden.